Wie aus einem epischen Lehrstück von Bertolt Brecht wirkt das Ende des letzten großen Auftritts von Anne Spiegel als Bundesministerin, bei dem sie – der laufenden Kameras offenbar nicht gewahr – die Schlussworte abstimmte, um sich dann erneut und final zu entschuldigen. Der so wirkende Verfremdungseffekt machte die intendierte emotionale Identifikation zunichte und wirkte auf viele verstörend.
Dass Bundesfamilienministerin Spiegel von den Grünen überhaupt noch im Amt war, ja, dass sie überhaupt in dieses Amt kommen konnte, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Qualität des politischen Führungspersonals. Was Spiegel sich allein nach der Flutkatastrophe an bereits schon bisher Bekanntem geleistet hatte („Wir brauchen jetzt ein Wording, dass wir nicht schuld sind. Und alles korrekt gendern!“), hätte doch schon längst ausreichen müssen, sie von jedem politischem Amt für immer auszuschließen.
Inzwischen kristallklar auch noch der Lüge überführt, versuchte Spiegel in einem denkwürdigen Auftritt (ganzes Statement hier) gestern abend noch einmal das Ruder herumzureißen – legte dabei aber, vermutlich unabsichtlich, die Welt der Spin-Doktoren und Propaganda-Heißluftbläser frei. Es ist ja offenbar inzwischen völlig egal geworden, ob jemand irgendeine Qualifikation oder Qualität hat, er/sie muss nur gut genug „verkauft“ werden – denn die staatstreuen Systemmedien spielen sowieso brav mit.
Jedenfalls, gegen Endes des Auftritts von Spiegel zweimal der Blick nach rechts für das Abholen von Anweisungen. Besonders verräterisch dabei das Wörtchen „abbinden“. Ich wusste gar nicht, was das ist – es ist ein Fachbegriff aus der Werbung. Ein Abbinder ist der hervorgehobene Abschlusssatz einer Werbebotschaft. Wie man also sieht, es geht bei den heutigen Politikern null nada nix um den Dienst am Volk, sondern nur darum, ihm Sand in die Augen zu streuen.
Dass dann zum Schluss des Statements natürlich Spiegel „sich entschuldigt“ – was gar nicht geht für etwas, das man anderen angetan hat, da könnte man allenfalls „um Entschuldigung bitten“ -, geschenkt. In der allgemeinen Sprachverrohung unserer Tage fällt so etwas kaum noch auf. Dankenswerterweise hat aber Spiegel bei ihrer weinerlichen Büßerpose auch anderweitig so grotesk versagt, dass das Pattex auf ihrem Sessel nicht mehr reichen konnte.
Dass sie menschlich überfordert war, ist bedauerlich. Aber Politiker und insbesondere Minister werden deshalb so hoch bezahlt, und haben deshalb so viel Assistenz, damit sie nicht privat überfordert werden. Und wäre Spiegel trotzdem überfordert gewesen, hätte sie das Amt nicht annehmen dürfen, so einfach ist das. Und insofern ist die zerknirschte und um Anteilnahme heischende Botschaft von Spiegel nicht etwa ein Grund zur Entschuldigung, sondern vielmehr das Eingeständnis eines Betrugs.